Aller guten Dinge sind drei, orakelt Volkes Mund. Tim Dunker stimmt dem sicher von ganzem Herzen zu. Schließlich nahm er dreimal Anlauf, um im Unternehmen seiner Wahl seine Lebensaufgabe verwirklichen zu können. Dunker darf sich getrost als ein Pionier in Sachen E-Commerce in der Touristikbranche betrachten. Deshalb kennt man „Berge & Meer“ aus Rengsdorf, einem Ort mit unter 3.000 Einwohnern und 25 km nördlich von Koblenz gelegen, weltweit. Und das darf wörtlich genommen werden.

Dabei startet Tim mit einem Umweg ins Berufsleben: Er meint zunächst nach seinem Zivildienst in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie, ein guter Sonderschulpädagoge werden zu können. Nach vier Semestern hat er sich selbst vom Gegenteil überzeugt.

Der Studienabbruch ist logische Folge. Nach dieser Erfahrung gibt es klare Prioritäten: Tim will auf keinen Fall den Eltern auf der Tasche liegen „und in überschaubarer Zeit einen vernünftigen Abschluss“ machen.

Naheliegend, dass das „Mittelrhein-Modell“ das seiner Wahl wird: „Es genoss hier einen hervorragenden Ruf.“ Abiturienten erlernen seit mehr als 40 Jahren so kaufmännische Berufe, erreichen zugleich an der VWA Koblenz den Abschluss als Betriebswirt/in und legen optional nach einem Auslandsaufenthalt die Prüfung zum Fremdsprachenkorrespondenten vor der Koblenzer IHK ab.

Für diesen so pfiffigen wie anspruchsvollen Berufsausbildungsdreier wirbt er erfolgreich im Februar 1995 beim Rengsdorfer Reiseveranstalter „Berge & Meer“. Macht aber nicht den Mittelrhein-üblichen Industrie-, sondern seinen Reiseverkehrskaufmann. Der Ex-Student steigt zudem gleich als Aushilfe ein – bis zum Berufsschuljahrstart.

1998. Tim ist ein erfolgreicher „Mittelrheiner“ – und immer noch so ehrgeizig wie selbstbewusst. Deshalb trennen sich die Wege von ihm und „Berge & Meer“ – die gebotene Perspektive erscheint ihm zu unklar und der offerierte Verdienst zu schmal.

Also steigt Tim bei einem Software-Unternehmen in Andernach ein und kümmert sich um den Vertrieb.

1999, kurz vorm Jahresende. Die Gründer von „Berge & Meer“ entdecken das weithin noch unbekannte Neuland „Internet“ für sich. Dafür starten sie eine eigene Tochtergesellschaft – und holen den 28-jährigen Tim Dunker als Geschäftsführer an Bord. „Da war ich der Einäugige unter Blinden, was E-Commerce betrifft. Aber es war der Turbo für meine Karriere“, erinnert er rückblickend. Sein Mentor Klaus Scheyer gibt damals kühn 25 % Umsatz per Onlinegeschäft als Ziel vor, die man drei Jahre später erreichen will. Es werden 20 %.

2006. Derweil ist die TUI, die Nummer 1 der deutschen Touristikbranche, Eigner des Unternehmens. Es bahnen sich größere Veränderungen an. Dunker fühlt sich reif genug, nicht mehr nur online die Geschäfte zu führen. Will Verantwortung in der Muttergesellschaft übernehmen. Weil die Chefetage meint, dafür sei noch nicht die Zeit gekommen, kündigt er – mit sechs Monaten Frist.

März 2007. Eine Frankfurter Firma, die „E-Domizil-Gruppe“, versichert sich Dunkers Dienste. Sie ist ein reines Onlineunternehmen und marktführend bei Ferienhäusern. Etabliert 2004 eines der ersten Kreuzfahrt-Onlineportale in Deutschland. Mit einem Freund baut Tim für die Frankfurter das Portal „E-Kolumbus“ für Rund- und Fernreisen auf.

2010. Ein Ex-Kollege von „Berge & Meer“ bietet Dunker eine Beteiligung an einem kleinen Reiseveranstalter in Köln an. Der ist spezialisiert auf ärztlich begleitete Rundreisen. Tim wird bald darauf Mitgesellschafter. „Ich wollte immer schon Anteilseigner sein.“

2011. Im dritten Anlauf und nach einem entsprechenden Angebot der TUI heuert Dunker wieder bei „Berge & Meer“ an – nun als Geschäftsführer neben Thomas Klein.

Damit steht er endlich mit an der Spitze eines der erfolgreichsten Unternehmen der Branche. 1995 zählt man 40 Leute, wächst kontinuierlich.

Als die TUI 2018 die Firma an den deutschen Finanzinvestor Genui verkauft, generieren die nunmehr mehr als 300 Spezialisten für Kreuzfahrten und sehr spezielle Rundreisen gut 270 Mio. Umsatz.

Seither ist Tim Dunker auch Minderheitsgesellschafter. Sicherlich auch ein Zeichen dafür: „Berge & Meer“ und er sind eine gute Partie füreinander.

Mit den Rengsdorfern verreisen jedes Jahr 300.000 Menschen. Sie gehören laut Branchenfachblatt FVW (Touristik & Business Travel) zum zweiten Mal zu den fünf Besten der Touristikbranche. Bei einer Umfrage Anfang 2019 landet man bei „Menschen, die die Marke kennen, aber nicht mit ihr verreist sind“ auf Platz zwei und auf Platz vier bei jenen, „die die Marke kennen und schon mit ihr gereist sind“.

„Wir haben super viel geschafft.“ Dunker ist hörbar stolz aufs Erreichte. Ganz sicher ist er einer der Väter des Erfolgs. Das frühe Setzen auf Direktmarketing und -vertrieb, die Pionierarbeit beim E-Commerce, zahlt sich schon bald aus.

Mehr als 60 % des Umsatzes werden heute online generiert „bei einem Durchschnittskunden, der älter als 55 Jahre ist und 1.500 Euro pro Reise investiert“. Besonders gefragt sind Rundreisen, die weltweit angeboten werden und die in solch touristische „Exoten“ wie Japan, Iran oder Myanmar führen. Da gehöre man zu den Top 3 der Spezialanbieter in Deutschland, so Dunker.

„Nur“ den VWA-Betriebswirt in der Tasche, aber mit reichlich Erfahrungen, hat Tim Dunker Expertise aber auch für andere Belange. Dies hat er seinem Mentor und Firmengründer Scheyer zu verdanken. „Er erkannte 2004 weitsichtig, dass man was für die Marke tun müsse.“ Dafür kam nicht irgendeine Firma. Ins Boot stieg Interbrand, „eine der ganz großen Brandagenturen in der Welt, die u. a. die Telekom betreuen und BMW, auch den TUI-Smiley entwickelten“.

Dunker verantwortet als Marketingchef diesen Prozess. Dieser Relaunch stillt speziellen Wissenshunger bei ihm: „Ich habe damit sehr spezielle Kenntnisse zu Corporate Identity und Corporate Design gewonnen.“

Der Marke habe das Interbrand-Engagement ebenfalls viel gebracht: Habe man 2004 noch zu 75 % an Fremdmarken gehangen, so mache man aktuell 65 % mit der eigenen Marke. „,Berge & Meer‘ ist der führende Vertriebskanal“, sagt Dunker.

Seit 1996 produziert man für Tchibo Reiseangebote. „Die hießen ,Jede Woche eine andere Welt‘, weshalb wir tatsächlich jede Woche andere Reisen anboten. Das war damals der Turbo für unser Geschäft“, berichtet Dunker. Seit 2007 kreieren die Rengsdorfer nun auch Aldi-Reisen.

Tim Dunker behält seinen Erfahrungsschatz nicht für sich. Er engagiert sich im eigenen Unternehmen dafür, dass das Wissen über die neuen Medien und deren Nutzen für die Branche bei allen Mitarbeitern weiter ausgebildet wird. So hat man mit der IHK-Akademie Koblenz für „Berge & Meer“ ein eigenes Ausbildungsprogramm kreiert. Diese Weiterbildung zum „OMA“ – dem Online-Marketingassistenten – findet während der Arbeitszeit statt und ist IHK-zertifiziert.

Dunker ist in der Hochschule Worms, der größten Hochschule in Rheinland-Pfalz, in der man Touristik studieren kann, Mitglied des zuständigen Fachbeirates. Er engagiert sich in gleicher Angelegenheit in der privaten Hochschule in Bad Honnef (Nordrhein-Westfalen). Sein Ziel ist, dass diese akademischen Anbieter dem E-Commerce mehr Bedeutung geben werden. „Ich finde, unser Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie damit unternehmerischer Erfolg generiert und garantiert werden kann.“

Dunker geht obendrein mit bestem Beispiel in Sachen Berufsausbildung voran: Jedes Jahr werden Mittelrheiner bei „Berge & Meer“ ausgebildet und bekommt ein E-Commerce-Kaufmann sein professionelles Rüstzeug vermittelt.

Und selbstverständlich hat er jene, die den Grundstein für seine phänomenale Karriere legten, nicht aus dem Blick verloren: Auch mit der VWA Koblenz gebe es Kontakte, um ein weiteres attraktives und duales Studienangebot zu kreieren.

© Rainer Aschenbrenner, Gotha, 29. Dezember 2019
Foto: privat

t.